Professionelles Handeln: Der richtige Umgang mit Fehlern
Eine gelungene Fehlerkultur gilt heute als eines der wichtigsten Merkmale moderner Unternehmen. Gerade in der IT-Branche ist sie unabdingbar für die typischen agilen Arbeitsmethoden. Doch wie sollte ein effizientes Fehler-Management in einer Firma aussehen? Und was müssen IT-Selbstständige beachten? Wir geben euch einen Überblick, worauf es im Fall des Falles ankommt.
Während sie in anderen Branchen nicht gerne gesehen sind, gehören Fehler zum täglichen Geschäft im IT-Bereich. Hier hilft schließlich der typisch deutsche Fingerzeig auf die Schuldigen kaum weiter, dafür ist die IT zu vielschichtig. Auch ein Umgehen oder Verschweigen von Fehlern ist oft gefährlich. Es hat sich über die Jahre stattdessen eine offene und lösungsorientierte Fehlerkultur durchgesetzt, die von dort kommt, wo auch die größten IT-Firmen ihren Ursprung haben: aus dem angelsächsischen Raum. Danach sind Fehler nicht nur nicht schlimm, sondern sogar ausdrücklich als eine Art notwendiges Übel erwünscht. Agile Entwicklungsmethoden mit schneller Reaktion auf Veränderungen und innovative Lösungen wären als Herzstücke der täglichen IT-Arbeit ohne Fehler gar nicht möglich. Insofern sind Unternehmen von der Mitarbeiter- bis hin in die Führungsebene aufgerufen, Probleme zu erkennen, benennen, analysieren und konsequent zu lösen.
Überlastung der IT-Abteilungen angehen
Am besten ist es jedoch natürlich auch in der IT, wenn gerade unnötige Fehler von vorneherein vermieden werden können. Schließlich eignet sich nicht jede Unwägbarkeit für einen agilen Lernprozess. Manche Fehler können auch schwerwiegende Folgen zeitigen. Wie eine Studie des Datenspezialisten Ontrack ermittelt hat, können bestimmte Fehler zu empfindlichen Datenverlusten führen, die wirtschaftliche Einbußen nach sich ziehen. Demnach sind es vor allem Stress und Zeitdruck in vielen IT-Abteilungen, die von den befragten Mitarbeitenden als Hauptquelle für Fehler angesehen werden. Ganze 84 Prozent der Teilnehmer hat deshalb auch Fehler verursacht, die zu Datenverlusten geführt haben. 77 Prozent von ihnen fühlt sich einfach überlastet. Nicht einmal in der Hälfte der dahinterstehenden Unternehmen gab es, der Studie zufolge, einen klar definierten Prozess zur Wiederherstellung der Daten.
Es zeigt sich also, dass IT-Firmen einerseits gut beraten sind, zur Vermeidung von Datenverlusten mit einem funktionierenden Backup-System und professioneller Wiederherstellungssoftware zu arbeiten. Auch regelmäßige Kontrollen der Server sind gefragt, um die Datensicherheit zu erhöhen. Andererseits sollten Unternehmen aus der IT die Dienstzeiten und das Arbeitsaufkommen ihrer Beschäftigten möglichst gering halten, um den Belastungspegel zu senken. Das wiederum gestaltet sich aber in Zeiten des Fachkräftemangels in der IT oftmals schwierig, weil dieser Schritt in aller Regel mehr Personal verlangen würde. Infolgedessen werden die meisten IT-Betriebe nicht umhinkommen, ihre Kultur im Umgang mit bereits vorhandenen Fehlern weiter zu verbessern.
Zusammenarbeit statt individueller Experimente
Ein belastbares Vertrauensverhältnis im Team trägt maßgeblich zu einem gelungenen Fehlermanagement bei. Dazu gehört es, dass Beschäftigte eigene Fehler nicht aus Angst vor etwaigen Folgen für sich behalten und individuell versuchen, sie klammheimlich auszubügeln. Je offener Fehler im Team besprochen werden, desto größer ist der Lerneffekt für alle und desto besser können Folgefehler vermieden werden. Insofern sind die gut 20 Prozent an IT-Mitarbeitern, die laut Ontrack-Erhebung eigene Fehler nicht gerne zugeben, noch eindeutig zu viel. Damit die gemeinsame Fehlerbehebung gelingen kann, braucht es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller an der IT beteiligten Gruppen, wie etwa der Entwicklungsabteilung, dem Support und der jeweiligen Fachabteilung. Diese müssen übergeordnete Ziele definieren und für deren Erreichen eine Fehlertoleranz einkalkulieren.
Rückendeckung aus der Chefetage
Damit Probleme und Fehlschläge ohne Sorge vor persönlichen Konsequenzen angesprochen und angegangen werden können, steht letztlich nicht nur die Belegschaft selbst, sondern auch die Geschäftsführung in der Pflicht. Sie sollte ihren Beschäftigten die nötige Rückendeckung bieten und für sie Freiräume im Tagesgeschäft schaffen, in denen sie sich dem Thema Störungserkennung widmen können. So empfiehlt es eine Studie zum IT-Monitoring des Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Besonders gefragt ist eine solche Fehlerkultur in Firmen, die neue IT-Systeme einführen und zum ersten Mal erproben. Überwachungsprozesse zur adäquaten Fehlerreduktion befinden sich dort oft noch in den Kinderschuhen. Das kann sich ohne offene Fehlerkultur schnell rächen, denn je moderner die Technik ausfällt, desto komplexer und fehleranfälliger wird sie meistens.
Fehlermanagement definieren
Tritt ein Fehler auf, sollte allen Beteiligten im Team sofort klar sein, was zu tun ist. Deshalb ist jede Firma gut beraten, ihr Fehlermanagement in einem Leitfaden festzulegen und ihn allen Beschäftigten zur Verfügung zu stellen: Wer macht wann was und mit welchen Mitteln? Das beginnt schon damit, dass jede Person im Team ihren persönlichen Kompetenzbereich genau kennt und nicht überschreitet. Wo jemand selbst nicht mehr weiterkommt, ist er oder sie dazu aufgerufen, unmittelbar den jeweiligen Fachbereich zu kontaktieren, der über das nötige Spezialwissen verfügt. Verschiedene Notrufnummern für die gängigsten Fehlerquellen sollten überall im Unternehmen bekannt sein. Zusätzlich braucht es eine genaue Dokumentation von Fehlerverläufen, um sie effektiver analysieren und in Zukunft vermeiden zu können.
Aufklären, klassifizieren und Potenziale nutzen
Einer solchen Fehleranalyse müssen zwei Grundannahmen vorausgehen, die mit bisherigen Denkmustern brechen und ein neues Mindset in der Firma schaffen:
- Es gibt keinen Fatalismus, der besagt, dass die meisten IT-Projekte ohnehin nicht ohne ungeplante Mehrkosten und verlängerte Bearbeitungszeiten auskommen würden. Das Ziel sollte immer sein, zumindest Projekte aus einem bestimmten Teilbereich nach und nach zu einer gewissen Perfektion zu treiben. Dies ist eben nur mit gründlicher Aufarbeitung von Fehlern möglich ‒ entweder durch interne Expertise oder durch externe Dienstleister, die dann aber tatsächlich Zusatzkosten verursachen. Wenn ein Unternehmen selbst das entsprechende Know-how entwickelt, zahlt sich das also aus.
- Es gibt keine überflüssigen Fehler, denn Fehler passieren nicht ohne Grund und so lässt sich aus jedem einzelnen potenziell etwas lernen. Gerade in der Softwareentwicklung ist der Gedanke weit verbreitet, dass sich bei den meisten abgeschlossenen Projekten gar keine detaillierte Fehleranalyse und -aufklärung lohnen würde, weil das nächste Projekt sowieso auf anderen Ansätzen oder Tools aufbaut. Dies ist aber zu kurz gedacht, da häufig dieselbe Ursache zu einer Reihe verschiedener Fehler führt und sich deshalb auch unter veränderten Umständen in neuen Projekten fortsetzen kann.
Sind diese beiden Denkhürden überwunden, ist es zudem hilfreich, die neu gewonnene positive Haltung gegenüber Fehlern nicht durch Frust über Ungenauigkeiten in der Analyse wieder aufs Spiel zu setzen. Damit alle im Team jeweils von derselben Fehlerart sprechen, empfiehlt es sich, eine ausbuchstabierte Klassifizierung in der Firma vorzunehmen. Einen validen Leitfaden zum Aufbau einer Fehlerklassifikation mit einem Schwerpunkt auf Software bietet der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, Bitkom. Es geht darum, die Schwere der Auswirkung von Fehlern zu unterscheiden und den Aufwand, der zum Beheben eines Fehler nötig ist, zu klassifizieren. Zusätzlich ist der Stellenwert der Ursache von Fehlern einzuschätzen, da hier Defizite in der Konzeption von Projekten ersichtlich werden. In der Auswertung helfen dann Trackingsysteme oder spezielle Fehlercodes im Suchticket, die jeweiligen Fehlerklassen ausfindig zu machen.
Fehler in der Kundenkommunikation
Natürlich passieren die meisten Fehler in der IT-Branche in der Entwicklung, also auf technischer Seite. Dass aber auch Fehler im Bereich der Kommunikation mit Endkunden auftreten können, haben viele Beschäftigte nicht im Blick. Und in der Regel müssen sie das noch nicht einmal, weil die meisten größeren Firmen ohnehin über einen Kundenservice verfügen, der Fehler beim Support analysieren kann und sollte. Selbstständige IT-Unternehmer stehen dagegen oft vor der Herausforderung, beide Seiten zu erfüllen: Besitzt jemand zum Beispiel einen kleinen IT-Dienstleistungsbetrieb, ist er oder sie nicht nur gefragt, Hard- oder Softwareprobleme zu lösen, sondern zugleich die richtige Kundenansprache zu finden. Missverständnisse im Austausch mit der Kundschaft führen zu falschen Dienstleistungen und finanziellen Verlusten, die ein selbstständiger Unternehmer nicht so leicht verkraften kann wie eine größere Firma.
Deshalb ist es einerseits wichtig, der Kundschaft auf Augenhöhe zu begegnen und sie auf die Reise zur Behebung ihrer Problemstellungen mitzunehmen. Das bedeutet, nicht im Fachchinesisch mit ihnen zu reden, sodass sie alle nötigen Schritte der Dienstleistung auch nachvollziehen können. Und es heißt, diese Schritte vorab schriftlich genau festzuhalten, etwa im Kostenvoranschlag. Andererseits müssen Fehler, die trotzdem geschehen, so gut wie möglich finanziell abgesichert sein. Hierfür ist gerade selbstständigen IT-Unternehmern eine passende Absicherung für den Ernstfall ans Herz zu legen. Die BU springt beispielsweise ein, wenn etwa durch den Dienstleister verursachte Software-Fehler zu Umsatzeinbußen bei Kunden führen und ersetzt diese entsprechend. Zuletzt gilt für IT-Selbstständige wie auch in Unternehmen: Fehler offen ansprechen! Je transparenter der Kundschaft ein Problem dargestellt wird, desto höher wird ihr Verständnis dafür sein. Zumindest, wenn die richtigen Lösungswege gleich mitgebracht werden.
Bildnachweis für das Titelbild: adobe.stock / Gajus
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